Alexander Horn, Gastautor / 05.05.2021 / 06:27 / Foto: Tim Maxeiner / 151 / Seite ausdrucken

Digitaler Impfpass: Die vergiftete Freiheit

Es klingt verlockend: Wer sich gegen Corona impfen lässt, soll wieder seine wegen der Corona-Pandemie ausgesetzten Bürgerrechte erhalten – zumindest in großen Teilen. Das jedenfalls ist ein Ergebnis des Impfgipfels von letzter Woche. Laut einem Entwurf des Bundesjustizministeriums könnten für Geimpfte und Genesene etwa beim Zugang zu Geschäften und Dienstleistungen wie Friseuren dieselben Ausnahmen wie für negativ Getestete gelten. Auch die Ausgangssperre der „Bundesnotbremse“ würde dann für Geimpfte und Genesene entfallen, Kontaktbeschränkungen würden aufgehoben.

In Nordrhein-Westfalen gelten derartige Erleichterungen bereits seit dem 3. Mai für „immunisierte Personen“. Ein wichtiger Hintergrund bilden neue Erkenntnisse des Robert-Koch-Instituts (RKI), wonach von vollständig gegen Corona Geimpften kaum noch Ansteckungsgefahren ausgehen. Unterdessen strebt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit den zuständigen EU-Gremien die umgehende Entwicklung eines digitalen Impfausweises an. Dieser soll als Smartphone-App entwickelt werden, bis spätestens Ende Juni zur Verfügung stehen und das bisherige gelbe Impfbuch ergänzen.

Bürgerrechte unter Vorbehalt

Diese Aufrüstung des bisher privaten Impfbuches, das über individuellen Impfschutz informierte, zu einem öffentlichen Dokument und dessen Verbindung mit staatlichen Freiheitsbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie verdreht die verfassungsrechtlich geschützten Bürgerrechte in ihr Gegenteil. Die Regierungsbestrebungen laufen darauf hinaus, die Rechte der Bürger nur noch unter Vorbehalt zu gewähren. Mit der Einführung dieses Impfpasses ist die Teilnahme der Bürger am öffentlichen Leben kein Recht mehr, also unabdingbar und ohne jede Genehmigung gegeben. Stattdessen wird nun eine staatliche Genehmigung zur Voraussetzung für die vollumfänglichen Bürgerrechte gemacht.

Wie der Immunitätsausweis funktionieren kann, zeigt sich in Israel. Dort ermöglicht ein „Grüner Pass“ Geimpften und ehemals Infizierten mehr Freiheiten als Ungeimpften. Sie dürfen Restaurants, Fitnessstudios, Schwimmbäder, Theater und Sportveranstaltungen besuchen und dürfen in Hotels übernachten, was allen anderen nicht erlaubt ist. In China dürfen Menschen ohne „Grünen Code“ auf ihrem Smartphone weder in Supermärkte noch in U-Bahnen. Mit digitalen „Freiheitspässen“ samt QR-Codes und Ablesegeräten kann eine Infrastruktur aufgebaut werden, die ein Sozialkreditsystem nach chinesischem Vorbild ermöglicht.

So wird die Aufrechterhaltung eines coronagrünen Status zu einer permanenten Bürgerpflicht. Menschen, die dieser Verpflichtung nicht nachgehen, verwirken ihre Erlaubnis, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Staatsbürger mit vollumfänglichen Bürgerrechten zu sein, wird dadurch zu einem nur provisorischen Recht, das jederzeit entzogen werden kann. Die Bedingungen, die heute für einen grünen Corona-App-Status gelten, könnten morgen schon andere sein und durch eine einfache Änderung der App ihre Wirkung entfalten.

Dort, wo staatliche Restriktionen nicht durchgesetzt werden, gibt die Aufwertung des Impfbuches zu einer behördlichen Bescheinigung auch privaten Betreibern die Möglichkeit, zwischen Geimpften und nicht Geimpften zu differenzieren. So könnten etwa private Gaststättenbetreiber – sofern nicht ohnehin gesetzlich dazu verpflichtet – Geimpfte bevorzugen und dies mit Verweis auf die Vertragsfreiheit begründen. Derartige Diskriminierung könnte zwar gesetzgeberisch eingeschränkt oder sogar verhindert werden. Vermutlich wird jedoch auch solche privatrechtliche Diskriminierung mit dem Regierungsvorhaben zumindest billigend in Kauf genommen.

Mutig gestalten

Die nun von der Bundesregierung angestrebte Einrichtung von Bürgerrechten unter Vorbehalt ist auch unter Berücksichtigung des Fortschritts bei den Impfungen nicht zu rechtfertigen. Denn die Impfungen werden das Pandemiegeschehen schon in sehr naher Zukunft sehr wesentlich verändern können. Aufgrund der hohen Wirksamkeit der verfügbaren Impfungen und der schon jetzt in ganz Europa erkennbaren Beschleunigung des Impffortschritts wird sich das Infektionsgeschehen erheblich abschwächen. Es besteht die realistische Chance, bereits im Spätsommer in ganz Europa die angestrebte Herdenimmunität zu erreichen.

Schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle würden sich dann auf Menschen beschränken, die nicht geimpft sind, sowie vor allem immungeschwächte Menschen, die trotz Impfung keinen ausreichenden Impfschutz aufbauen können. Erkrankungen wären dann Einzelfälle, denn die pandemietypische Ausbreitung würde durch den hohen Impfschutz der Bevölkerung gehemmt.

Die Herausforderung in der Pandemiebekämpfung liegt darin, die Pandemie einerseits unter Kontrolle zu bringen und dabei gleichzeitig geeignete und wirksame Maßnahmen zu etablieren, die die gleichen und möglichst unbeschränkten Freiheitsrechte aller Bürger respektieren – egal, ob geimpft oder nicht geimpft. Auch mit Blick auf in Zukunft auftretende Virusmutationen, die von den bislang verfügbaren Impfungen nicht aufzuhalten sind, gilt es, geeignete Strategien und Herangehensweisen zu entwickeln, die die gesamte Bevölkerung schützen. Dazu gehört auch die Frage, wie die Bereitschaft der Bevölkerung zur Impfung immer weiter verbessert werden kann – und zwar ohne Gängelung oder gar einen Impfzwang durch die Hintertür.

Der Impfstatus-Check am Eingang zu einer Kneipe ist keine einfache Formalität, sondern macht deutlich, dass das Recht am öffentlichen Leben teilzunehmen entzogen wurde. Heute ist es Corona, morgen eine andere Krankheit oder eine andere Begründung. Wir sollten unsere Freiheit nicht zum schäbigen Preis kurzfristiger Erleichterungen hergeben. Denn wir werden lange mit den Konsequenzen leben müssen, wenn es erst einmal gelungen ist, Bürgerrechte zu einem nur provisorischen Recht umzudefinieren. 

 

Mehr von Alexander Horn lesen Sie in seinen aktuellen Büchern „Die Zombiewirtschaft - Warum die Politik Innovation behindert und die Unternehmen in Deutschland zu Wohlstandsbremsen geworden sind“ und „Experimente statt Experten – Plädoyer für eine Wiederbelebung der Demokratie“.

Foto: Tim Maxeiner

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Gertrud Meier / 05.05.2021

Was diesertage wenig beachtet wird ist das fortgesetzte Impfversagen der Bundesregierung unter Merkels Obhut. Zitat Impfdashboard.de “Am 3. Mai 2021 wurden in Deutschland 424.777 Impfdosen verabreicht. Damit sind nun 6.771.476 Personen (8,1 % der Gesamt­bevölkerung) vollständig geimpft. ”  Wann werden 50 % der Bevölkerung vollständig geimpft sein ? Wenn es so schleppend weiter geht nicht vor November.  Ein Wunder wäre es wenn es schon Ende August so weit wäre.  Aber auch das wäre für den Tourismus z.B. zu spät. Bleibt nur noch auf ein saisonales Abflachen der Kurve zu hoffen.

Gabriele Klein / 05.05.2021

@Dr. Lehmann “Eigentlich wollte ich hier nicht mehr kommentieren, da sich auch die Achse als nicht zensurfrei herausgestellt hat.”  Das Kommentarfeld sehe ich als ein sehr seltenes Geschenk heutzutage, ein mehr als zeitintensives Entgegenkommen der Achse.  Als Kommentator sollte man es von daher etwas großzügiger sehen.  Ferner, woher wissen Sie denn ob es überhaupt absichtlich war? Oder welche rechtlichen Fragen ihr Kommentar aufwarf. .... Ferner kann man auf einem privat finanzierten Blog sowieso nicht von Zensur sprechen. Ich hatte noch nie damit Probleme wenn TAZ, Spiegel u. Co meine Ausführungen nicht publizierten. Für die Zensur seitens der Regierung von höflichen Beiträgen auf steuerfinanzierten Medien weil die Meinung halt nicht passt habe ich hingegen keinerlei Verständnis. Nur bei einer Regierung kann man v. Zensur reden bei den Privaten sicherlich nicht. Ich hätteHätte da mehr von Ihnen erwartet.

Gabriele Klein / 05.05.2021

PS: nach Recherchieren d.Wissensstands den man klar bei Ausbruch der Pandemie hatte bleibt folgende Frage:Warum prüfte man nicht bereits vorhandene desinfizierende Mittel für Rachen und Nase auf Ihre Wirksamkeit die Verbreitung von Covid zu verhindern? Dann, Experten ihres Fachs, wie Fauci, Drosten u. Co. unterstelle ich, von on Anfang gewußt zu haben 1. Covid verbreitet sich auf dem Luftweg vorwiegend durch Einatment feinster Aerosole, . Wohlinformiert in Sachen Biowaffen unterstelle ich dass ihnen die Eignung v.  Influenza Viren bekannt ist, da Allgemeingut unter Wissenschaftlern, Eignen können sie sich aber nur wenn sie als lang haltbare leichte Aerosole eingeatmet werden um so viele zu treffen. Ein Kampfstoff der nur wirkt wenn die Bürger jenseits aller Etikette sich erst gegenseitig versehentlichanspucken, wäre nämlich keiner mehr. Hier stünde Freih. v. Knigge im Wege.  Nochmal, als Bio Waffen Experten unterstelle ich Drosten u. Co das Wissen um die raschen v.d. WHO bestrittenen viralen Wege. Daher d. Frage: Warum sorgten genau diese Kreise nicht für saubere Aufklärung b. WHO u.RKI ?  Dann wäre bei einem viralen Schadsoff der in erster Linie beim Ausatmen sei es d. die Nase oder Mund produziert wird, d. 1. Frage:  Welche desinfizierenden Mittel für Rachen u. Nase haben wir bereits und in wie weit könnten sie bei intensiver Anwendung den Schadstoff in d. ausgeatmeten Luft signifikant verringern?  Warum vermied man diese Frage bis auf d. heutigen Tag obwohl man die Werkzeuge Covid Viren i. d. Atemluft zu messen längst hat? Hier n. eine Aösbach uralt Studie als Anregung für Merkel Drosten u. Co. datiert 2005 A throat lozenge containing amyl meta cresol and dichlorobenzyl alcohol has a direct virucidal effect on respiratory syncytial virus, influenza A and SARS-CoV.  J.S.Oxford et al. in Antiviral Chemistry & Chemotherapy 16:129–134 Warum probieren Sie sowas nicht mal mit Fisherman’s Friend?  Haben Sie vielleicht Angst vor der Antwort? Schämen Sie sich.

A. Ostrovsky / 05.05.2021

@Paul Greenwood:  Oliver Cromwell wäre der Letzte, den ich um Rat fragen würde, wenn es um Freiheit geht. Den würde ich fragen, wenn es um Gewalt und Unfeiheit geht. Auch Hitler, Stalin und Churchill verstanden nichts von Freiheit. Jedenfalls nicht von der Freiheit, die man uns heute wegnehmen will. Wer Freiheit nur für sich will, nicht für alle, der ist auf der falschen Seite der Front.

Jens Lück / 05.05.2021

Wenn die Politik erst einmal auf den Geschmack der Entziehung von Grundrechten gekommen ist und die Bürger keinen Widerstand geleistet haben, dann wird man die Grundrechte nie wieder zurückgeben. Deutschlands Zukunft wird aus zwei Klassen von Menschen bestehen: Denen, die mainstreamhörig die Regierung bejubeln und dafür Grundrechte erhalten. Und denen, die Kritik üben und dafür ihre Grundrechte entzogen bekommen. Das hatten wir ja schon mal. Vielleicht sollten statt digitalem Impfpass wieder Armbinden ausgegeben werden.

Stanley Milgram / 05.05.2021

Ach komms Leuts. Meidet einfach Läden mit Impfpass-Zwang und sonstigem Zeugs wie “Wir verkaufen nicht AfD”. Ich wähle AfD und bin, sorry, war gern gesehener Gast in einer Shisha-Bar und einer rumänischen Spelunke. Sollen die doch den Bach runtergehen, sie haben es verdient. Und nicht nur einmal. Wir können sie da kriegen, wo es am meisten wehtut: Beim Geld. Geht pleite und lasst mich mit eurem Corona-Schei@ bitte in Frieden.

A.Schuster / 05.05.2021

“Schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle würden sich dann auf Menschen beschränken, die nicht geimpft sind” Darf ich fragen, auf welchen Erkenntnissen Ihre mit voller Überzeugung vorgetragene These beruht ?? Klingt eher nach Panikmache zum Zwecke der Impfwilligkeit von Regeierung und BigPharma. Eine sehr gewagte These über einen Impfstoff, dessen Wirrkung offenbar noch kaum jemand vorhersehen kann.

Sigrid Leonhard / 05.05.2021

@Torsten Hopp, zu” Letztendlich dient das Zeug auch nur der Verschleierung unfassbaren Versagens.” Ich würde eher sagen, das Zeug dient nur der Verschleierung unfassbaren Betragens.

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